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Sault – Die Band aus dem Nichts

Sault ist wahrscheinlich die mysteriöseste Band, die es gibt: von den Namen oder bloß der Anzahl der Mitglieder ist fast nichts über die britische R&B Gruppe bekannt. Interviews werden nicht gegeben, auch auf Musikvideos wird verzichtet, und die bisher sechs Alben wurden alle ohne Ankündigung veröffentlicht. Man könnte meinen, die Band will den Fokus nur auf die Musik legen – und die bewegt: Sault erscheinen aus dem Nichts, und nach einem Jahr kaufen bereits Tausende ihre Platten. Allein Sängerin Cleo Sol und Produzent Inflo, letzterer bekannt durch Kollaborationen mit The Kooks, Little Simz und Adele, sind als Mitglieder der Band bestätigt, und ihre rhythmusreichen Tracks liegen irgendwo zwischen Neo-Soul und Funk – mit Arrangements, in denen jedes Instrument einen vorbestimmten Platz einnimmt, um den gekonnten Kompositionen Raum zu bieten. Das Ergebnis lädt zum Tanzen ein und verschafft Sault bereits Nominierungen für mehrere Musikpreise, wie den Mercury-Preis. Die ersten beiden Singles We Are the Sun und Don’t Waste My Time generieren 2019 einen Hype für die Band und bringen ihnen für das Debutalbum_5_ Aufmerksamkeit von anderen Musikern und der Presse. Die Mystery Funk Machine, wie der Guardian die Band nennt, schlägt vom ersten Song an Wellen mit exzellentem Songwriting, einer definierten Produktion und herausragenden Vocal-Performances – die Gruppe kennt ihren musikalischen Weg und ist dennoch auf allen Seiten offen für Wagnisse, die das bisher beschrittene R&B Terrain herausfordern.

Der Soundtrack eines Freiheitskampfes

Auf Let Me Go äußert sich ihre Experimentierfreudigkeit zum Beispiel, wenn der warme Sound der Aufnahme plötzlich durch verzerrte Synthesizer unterbrochen wird – ohne Ankündigung, und das liegt der Band ja bekanntlich. Auf Bandcamp belegt das Erstlingswerk Platz zwei der besten Alben des Jahres, und nur wenige Monate später bringen Sault ihre zweite Vinyl mit dem Titel 7 ans Licht der Welt. Hier führen sie weiter, womit sie auf 5 begonnen haben, und verpflichten die Zuhörer quasi zum Tanzen, während die Texte oft politisch sind. „Everyone has a gun / Counting bullets like their Haribos“, singen sie auf Living In America und positionieren sich damit eindeutig gegen die US-amerikanische Waffenkultur. 2020 liefern sie mit den beiden Alben Untitled (Black Is) und Untitled (Rise) den Soundtrack zu den Protesten nach dem gewaltsamen Tod von George Floyd. Die Afrobeat beeinflussten Songs zelebrieren das Schwarzsein und verkörpern gleichzeitig die gesellschaftliche Wut auf rassistische Polizeigewalt, wie auch die Trauer um die Opfer eines unterdrückerischen Systems. Dabei treffen sie einen Ton, der nicht verzweifelt, sondern ermutigend klingt, und brutal ehrlich zu uns spricht: „Take off your badge / We all know it was murder.“ Sault inspiriert uns, Stärke in der Krise zu finden. „Change is happening…We are focused,“ verkünden sie im Zuge des Releases.

Ein Meisterstück nach dem anderen

2021 folgt ihr Album Nine. Dabei machen sie die digitale Version wie auch den Vinyl-Vertrieb lediglich für 99 Tage verfügbar, bis die Platte wieder aus der Öffentlichkeit verschwindet. Sault halten sich exklusiv, während sie wachsen – mit dem Album steigen sie dann schließlich in die britischen Charts ein, ironischerweise auf Platz 99. Diesmal ist auch Little Simz zu hören, und stilistisch knüpft das Werk an seine aufbegehrenden Vorgänger an, während die Texte vom Aufwachsen in London erzählen und dabei ab und zu in Hip Hop Gefilde abtauchen. Auf dem symphonisch angehauchten Air wird wiederum kaum gesungen, und trotzdem liefern Sault hier ein persönliches Album, das wie keines der bisherigen Werke klingt. Gleichzeitig verhelfen sie Inflo, dem Genie hinter dem Projekt, als erster schwarzer Produzent den BRIT Award für den Produzenten des Jahres 2022 zu gewinnen. Zu Recht, denn das anonyme Kollektiv bringt seit seiner Gründung ein Meisterstück nach dem anderen heraus – und scheint auch nicht so bald damit aufzuhören.