Boogiemonsters HHV Records 6 Artikel

Songs als psychedelische Boom-Bap-Reise

Die Goldenen Jahre des Hip Hop , wie die 90er in Fankreisen oft genannt werden, brachten nicht nur Größen wie B.I.G , Nas und Jay-Z hervor – die Zahl der Untergrund-Acts ist kaum messbar, so viele Crews entstanden in kurzer Zeit an der East Coast, und unter diesen Bergen an Platten lassen sich immer wieder einige fast vergessene Schätze ausgraben. Die Boogiemonsters zählen definitiv dazu: die vierköpfige Gruppe aus Vex, Mondo, Myntric und Yodared gründet sich 1993 in Virginia mit der Mission, dem Genre mehr lyrische Tiefe einzuhauchen. An der Highschool bemerken die Freunde ihre gemeinsame Faszination für den Rap und fangen mit Talentwettbewerben an: bei einem Hip Hop-Turnier der Howard University erreichen sie schließlich den ersten Platz und kommen ins Gespräch mit dem EMI -Ableger Pendulum Records . Das Label sieht Potenzial in den Boogiemonsters und lässt sie ihre erste Platte Riders of the Storm: The Underwater Album aufnehmen. Mit ihrer Single Recognized Thresholds of Negative Stress steigt die Crew 1994 in Billboards Hot Rap Singles auf Platz 19 ein – der Track propagiert die Vorteile eines unbekümmerten Geisteszustandes, und genauso unbekümmert zieht der fast psychedelische Boom-Bap-Beat den Hörer in die lyrischen Ausschweifungen der Crew hinein, durch mehrere Phasen hindurch, und bildet damit eine Art spiritueller Reise.

Ein Album unter Wasser

Die Boogiemonsters wollen sich vom Rest der Hip Hop-Welt distanzieren, und sie wollen sich kaum auf einen Themenbereich beschränken. Auf ihrer Albumsingle Strange philosophieren die vier zum Beispiel über die Unmengen an Wasser, die uns tagtäglich umgeben: „See, seventy percent of the world’s underwater / Seventy percent of your body’s underwater / Seventy percent of what we live is out of range / We rearrange disorder, but niggas say we strange“. Ob der Titel ihrer Platte an den Doors -Song Riders on the Storm angelehnt ist oder etwas völlig anderes bedeuten soll, bleibt ein Rätsel, doch mit ihren Wasser-Referenzen erklärt sich zumindest der Untertitel The Underwater Album. Auch Wasser-Soundeffekte finden sich auf dem Album immer wieder, und die Beats auf Tracks wie Honeydips in Gotham machen den Eindruck, sie wären in einer Badewanne aufgenommen. Die Einflüsse für den Sound der Crew sind laut Yodared jedenfalls divers: neben Hip Hop-Kollegen wie A Tribe Called Quest und De La Soul begeistern sich die Member auch für Bob Marley , Nirvana und nicht zuletzt Jim Morrison von den Doors. Und das zeigt sich: ihr ausgefeiltes lyrisches Können bezeugen die Boogiemonsters einmal mehr auf dem beklemmend-atmosphärischen Track Old Man Jacob’s Well , der aus der Perspektive eines Kindermörders erzählt.

Goldnuggets aus den Tiefen der 90er

In den R&B /Hip Hop-Albumcharts schafft es die Platte in die Top 50, doch schon kurz nach dem Release schrumpft die Crew um die Hälfte: seit ihre Member Mitglieder der Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten geworden sind, halten Yodared und Myntric ihren christlichen Lebensstil für unvereinbar mit dem Hip Hop. Zurück bleiben Vex und Mondo, die 1997 gemeinsam das zweite und letzte Boogiemonsters-Album aufnehmen: God Sound , das auch auf dem 90’s Tapes Label erschienen ist, porträtiert auf nachdenkliche Weise die neue spirituelle Orientierung der beiden Rapper und vereint, wenn auch weniger experimentell in seinen Beats, religiös angehauchte Texte mit der lyrischen Finesse, die das Underwater Album schon bereithielt. Mit zurückgelehnter Attitüde erzählen die beiden auf basslastigen Beats aus den verschiedensten Perspektiven des Lebens. Nach 1997 hört man nur noch sporadisch von den Boogiemonsters, und schließlich verschwinden sie von der Bildfläche genauso unauffällig, wie sie gekommen sind. Heute stehen sie für eine Richtung im Hip Hop der 90er, die den Mainstream zu jener Zeit kaum begeisterte, mit seiner lyrischen Andersartigkeit und seinem künstlerischen Anspruch aber einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat. Die beiden Alben der Boogiemonsters sind Goldnuggets, die aus den Tiefen der 90er Jahre herausstrahlen.