Little Simz HHV Records 10 Artikel

Indie-Hip Hop in Eigenregie

Als Kind zu Beginn der 2000er begeistert sich Simbiatu Ajikawo für die Musik von Missy Elliott – die „Queen of Rap“ krempelt gerade die Hip Hop Industrie um und entflammt in der Britin mit nigerianischen Wurzeln den Wunsch, auch auf der Bühne zu stehen. Erste Texte schreibt Ajikawo bereits mit elf Jahren, und zunächst stürzt sie sich eine Schauspielkarriere: die BBC-Serie Spirit Warriors zeigt sie als Teenagerin in einer Hauptrolle, und genauso steht sie in Youngers vor der Kamera. Allerdings lässt die Musik nicht lange auf sich warten: ihr erstes Mixtape unter dem Namen Little Simz veröffentlicht sie in Eigenregie 2010. Auf Stratosphere folgen die Tapes Stratosphere 2, XY.Zed und Blank Canvas – letzteres wird bei seiner Veröffentlichung 2013 von Jay-Z höchstpersönlich gepusht, was der Londonerin eine Welle an Aufmerksamkeit und Respekt in der Szene beschert. In den folgenden zwei Jahren arbeitet sie ununterbrochen an neuen Tracks und veröffentlicht eine Reihe an EPs – die Diversität ihrer Releases, der Mix aus Boom-Bap und Jazz Einflüssen sowie Little Simz‘ kreative Palette an Themen bewegen sogar Kendrick Lamar dazu, auf seinem neuen Karrierehöhepunkt 2015 der Rapperin zu huldigen: „Little Simz might be the illest doin right now“, sagt er beiläufig. Und er hat Recht: Anfang 2015 erhält sie bei den Britischen Worldwide Awards den Titel des Breakthrough Artist of the Year.

Einfach man selbst sein

Little Simz‘ erster Langspieler A Curious Tale of Trials + Persons beginnt mit einem klaren Statement: „Everybody knows that I’m king now / Did you hear that? Women can be kings“. Auch dem Guardian erzählt sie: „Ich bin kein weiblicher MC aus UK, ich bin eine Künstlerin.“ Ajikawo ist das Schubladendenken unsympathisch. Ihr erstes Album folgt dabei dem Konzept einer Reise, auf der sie verschiedene Menschen auf dem Weg zu ihrem Erfolg verkörpert. Dabei performt sie ihre introspektiven Lyrics manchmal fast schon als Spoken Word, auf anderen Tracks flowt sie rapide über facettenreiche Jazz- und Soul Beats. In Sachen künstlerischer Authentizität hat die Britin jedenfalls keine Probleme – als Ergebnis jahrelanger Arbeit an ihren Reimen, wie sie selbst sagt: „Ich habe erkannt, dass man ehrlich sein muss. Wenn man offen ist, finden die Leute Zugang zu einem. Man muss einfach man selbst sein.“ Und das funktioniert am besten als Indiekünstlerin: auf ihrem eigenen Label Age 101 bringt Little Simz 2016 das zweite Werk auf Albumlänge heraus – Stillness in Wonderland ist ein an Alice im Wunderland angelehntes Konzeptalbum, das auf metaphorische Weise einen Eskapismus in die Kunst verkörpert, wo teils psychedelisch-atmosphärische Soundgefilde referenzenreiche Lyrics untermalen. Little Simz stellt sich musikalisch noch diverser auf als zuvor.

Genug Gründe, independent zu bleiben

Der Langspieler trifft auf große internationale Resonanz, und im gleichen Jahr begleitet die Rapperin als Support-Act die Gorillaz auf Tour, ebenso folgt ein Kollabo-Track. 2019 tut sie sich mit dem Produzenten Inflo für die raue Platte Grey Area zusammen, und auch ist sie hier zusammen mit Größen wie Cleo Sol und Little Dragon zu hören – die Platte wird ihr erster Charterfolg in den Top 100, und der Nachfolger Sometimes I Might Be Introvert, wieder mit Hilfe Inflo und Cleo Sol, schafft es 2021 sogar auf Platz vier. Die Rapperin bleibt ihrem Konzept der schonungslosen Ehrlichkeit nach wie vor treu: in den von Reflexion geprägten Lyrics analysiert sie Gesellschaftliches und sich selbst. Dafür wird sie im gleichen Jahr für den Mercury Prize nominiert – eine kreative Pause ist ihr aber kaum gegönnt, denn 2022 erscheint bereits die nächste Platte NO THANK YOU. Organisch, emotional, persönlich, manchmal ekstatisch gibt sich die Künstlerin, und der neue Langspieler thematisiert Rassismus und mental health wie auch die Ausbeutung junger Künstler in der Musikindustrie: „Undervalued, underappreciated in the workplace / Why give you my ideas in the first place?“ Die Rapperin hat genug Gründe, independent zu bleiben, und sie tut es auch – für ihre Kunst.