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Emo-Rap und Tabubruch

Während seiner nur wenige Jahre andauernden Karriere, vor seinem tragischen Tod mit gerade einmal 21 Jahren, schafft Lil Peep, was nur die allerwenigsten Rapper schaffen: er wird zum Wegbereiter einer neuen Richtung im Hip-Hop und ist für einige Zeit das Gesicht einer ganzen Jugendbewegung. Gustav Elijah Åhr kommt in Pennsylvania zur Welt, doch für seine Rapkarriere verschlägt es ihn schon mit 20 Jahren nach Los Angeles. Der Amerikanisch-Schwedische Einzelgänger tut sich schwer mit sozialen Kontakten, pflegt eher Internet-Freundschaften – und nimmt in den eigenen vier Wänden seine emotionalen Rapsongs auf, die er anschließend online postet. Im Untergrund schlägt seine erste EP Lil Peep; Part One im Jahr 2015 bereits Wellen, Tracks wie Star Shopping erregen mit ihrer ganz eigenen Atmosphäre vor allem bei Teenagern Aufsehen – auf Soundcloud findet Lil Peep seine ersten Fans. Der junge Künstler ebnet einen neuen Weg, über die eigenen Dämonen zu sprechen, über Angststörungen und Depressionen, Drogenmissbrauch und Einsamkeit. Die Verwendung von Samples aus den Bereichen Alternative Rock und Shoegaze in Kombination mit Trap-orientierten Beats lassen einen neuen Hype entstehen, der bald den Namen Emo-Rap für sich in Anspruch nimmt – Themen, die eigentlich tabu sind, werden nicht nur von Lil Peep, sondern auch von Musikern wie XXXTentacion und Lil Uzi Vert ganz offen in ihren Lyrics behandelt.

Einer wie Kurt Cobain

Ab 2016 tritt Lil Peep mit der in L.A. ansässigen GothBoiClique auf, Features seiner Emo-Kollegen finden sich auf dem im Sommer des gleichen Jahres erschienenen Mixtape Crybaby. Die Authentizität, welche sich zwischen den Gitarren-basierten Samples aus Indie- und Punk-Richtung in seinen Lyrics findet, fasziniert auch Teenager außerhalb der Vereinigten Staaten – Anfang 2017 geht er auf seine erste Solotour um die Welt, bringt den Emo-Rap nach Paris, Berlin, Manchester und sogar Warschau. „I’m making music to cry to“ heißt es ganz offen auf Crybaby – und die oft isolierende Zeit der Jugendjahre zeichnet sich auch auf dem legendären Mixtape-Nachfolger Hellboy ab: nicht selten wird Lil Peep in Sachen Melodien, Thematik und Weltsicht mit Größen wie Kurt Cobain und Lou Reed verglichen, schafft auf gleiche Weise einen Konsens mit Musik, die das Düstere im Selbst offenlegt und eine zeitlose Abbildung des Menschlichen kreiert. Nach dem Ende seiner Tour zieht er 2017 nach London und nimmt zwei Alben auf. Doch bereits drei Monate nach dem Release von Come Over When You’re Sober, Pt. 1 stirbt er im November desselben Jahres aufgrund einer Drogenüberdosis: einer gefährlichen Mischung aus Fentanyl und Xanax.

Ein Rapper auf neuem Terrain

Lil Peeps tragisches Karriereende zieht noch einige Veröffentlichungen nach sich, so erscheint 2018 sein zweites Album Come Over When You’re Sober, Pt. 2, das Herzschmerz und Sucht verarbeitet – in den USA erreicht es Platz 4 der Charts. Außerdem erscheint eine Reihe an kollaborativen EPs mit Harry Fraud, Meeting by Chance und ILOVEMAKONNEN, die noch vor Peeps Tod aufgenommen wurden. Doch seine Abwesenheit hinterlässt ein Loch in der Community des Emo-Raps: vielfach von Soundcloud-Rappern auf der ganzen Welt kopiert, hat Lil Peep in den wenigen Jahren seiner Karriere das Genre umgekrempelt und dem Hip-Hop eine neue Note verpasst. Dass Musikrichtungen fluide sein können, und dass vor allem der Rap immer wieder neue Anstöße aus den verschiedensten Stilrichtungen braucht, um als Kunstform zu wachsen, hat Lil Peep zu einer Ikone gemacht – letztlich sind die Übergänge zwischen Alternative Rock und Rap in seinen Tracks fließend. Dass der Rapper sich zu Lebzeiten auf neuem Terrain befand, schien ihm ohnehin klar zu sein: „In diesem Genre hat es noch nie jemanden gegeben, also kann ich es nicht wirklich mit früheren Werken vergleichen. Ich bin gespannt, das herauszufinden.“ Umso bedauerlicher das frühe Ende der jungen Legende.